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Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Tiefe-Graden der Meditation können zwar gegenwärtig noch nicht sicher im Gehirn diskriminiert und lokalisiert werden, aber grundsätzlich lassen sich folgende Aussagen treffen:

 Erster Tiefenbereich: Hindernisse 

Unter den Gehirnwellen sind es die Betawellen, die für Zustände mentaler Erregung, Grübeleien und für diskursives Denken stehen. 

Negative Emotionen wie Angst, Missgunst, Eifersucht, Neid, Wut und Hass korrelieren mit der neuronalen Aktivität im rechten Amygdala-Kern. Die Faserdichte in diesem Bereich bildet sich bei Langzeit-Meditierenden zurück (Hölzel et al., 2010).

Übermäßige Aktivitäten des sympathischen Nervensystems (hoher Blutdruck, schneller Puls, flache und kurze Atmung), Ausschüttungen von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol sowie Serotonin-Mangel stellen Hindernisse bei der Meditation dar bzw. korrelieren mit solchen.

 Zweiter Tiefenbereich: Entspannung

 Alphawellen treten bereits in Zuständen leichter, beginnender Entspannung auf.

Eine Innervation der parasympathischen Nervenfasern korreliert mit Entspannung. Man spricht von einem „trophotropen“ Zustand, wenn der Parasympathikus aktiver ist als der Sympathikus, bzw. wenn das Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems Richtung Parasympathikus tendiert. Der trophotrope Zustand ist für die organische Gesundheit, das Immunsystem und das Herzkreislaufsystem von großer, salutogener Bedeutsamkeit.

Wohlbefinden und ein gutes Körpergefühl korrelieren mit der Nervendichte im Insel-Cortex der rechten Hemisphäre (Hölzel et al., 2008, Lazar et al., 2005).

 Dritter Tiefenbereich: Konzentration

Thetawellen treten in Zuständen entspannter Konzentration und Geistesruhe auf. Sowohl bei Zen-Buddhisten wie auch bei Yogis wurden sie verstärkt in der tiefen Meditation festgestellt.

Bei fortgeschrittenen Meditierenden ist die Dichte der Nervenfasern im mittleren Präfrontal-Cortex, der für Aufmerksamkeitssteuerung steht, größer. Aber auch schon die Teilnahme an einem achtwöchigen Achtsamkeitskurs bei Anfängern führte zu einem Wachstum der Nervenfasern in diesem Hirnareal. Die Emotionsregulation korreliert mit der neuronalen Aktivität im orbitofrontalen Cortex. Fortgeschrittene Meditierende zeigen auch in diesem Areal eine erhöhte Nervendichte, und zwar in Abhängigkeit von der Dauer der Meditationspraxis (Hölzel et al., 2008).

 Vierter Tiefenbereich: Essenzielle Qualitäten

Gammawellen-Peaks werden meist nur bei sehr fortgeschrittenen Meditierenden beobachtet und stehen in Zusammenhang mit Erfahrungen unermesslicher Freude und außergewöhnlicher Klarheit, dem Erleben einer subtilen Energie und inneren Leichtigkeit, von Körper-, Form- und Zeitlosigkeit, wie auch grenzenlose Verbundenheit, universelles Mitgefühl oder allumfassende Liebe.  Bei sehr geübten Mönchen der Mitgefühlsmeditation, Metta-Meditation und Kontemplation wurden breitflächige Gammawellen beobachtet, die in verschiedenen Hirnarealen synchron auftraten – im Präfrontal-Cortex, Neocortex, Hippocampus, den Spiegelneuronen-Systemen und sogar teilweise im Motorcortex (vgl. Siegel, 2007). Die Repräsentationen bzw. Begriffe von Körper, Raum und Zeit im Gehirn werden transzendiert. Die Synchronisation der unterschiedlichen Hirnareale durch die Gammawellen-Peaks lässt sich umgangssprachlich so verstehen, dass Kopf, Herz und Bauch - oder anders ausgedrückt: Geist, Seele und Leib - zusammenkommen und als eine Einheit erfahren werden. Außerdem wird auch die Innen-Außen-Grenze transzendiert.

 Fünfter Tiefenbereich: Non-Dualität

Möglicherweise korrelieren Gammawellen-Synchronisationen auch mit transpersonalen Erfahrungen der Verschmelzung mit dem Leben, dem Universum oder dem absoluten Sein.

Die Deltawellen können dem Erleben absoluter mentaler Stille, eines leeren grenzenlosen Bewusstseins und einer Auflösung der Subjekt-Objekt-Dualität zugeordnet werden. Sie kommen daher als Indikator für den fünften Tiefenbereich in Frage. Ihr Auftreten muss aber nicht zwangsläufig ein Garant für diesen sehr erhabenen Geisteszustand darstellen. Die Meditations-forschung steckt noch in den Kinderschuhen.

 

Neurobiologische Korrelate von Meditationstiefe

 

Da das Gehirn der stoffliche Träger von Bewusstsein ist, verwundert es nicht, dass sich meditative Bewusstseinszustände auch, auf eine naturwissenschaftlich messbare und fassbare Weise, auf die neurobiologische Ebene auswirken. Es konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass Meditation die Neuroplastizität und das Wachstum der grauen und weißen Substanz fördert (Lazar et al., 2005). Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns zur Neubildung. Sie bedeutet inhaltlich bzw. psychologisch, dass negative Erfahrungen und Konditionierungen „überwachsen“ werden können. Wachstum und Dichte der Nervenfasern in wichtigen Hirnarealen, so z.B. im mittleren Präfrontal-Cortex, im orbitofrontalen Cortex, im Insel-Cortex und Hippocampus, nehmen zu (Hölzel et al., 2007, 2008, Ott et al., 2011). Der mittlere Präfrontal-Cortex ist für die Aufmerksamkeitsregulation zuständig, der orbitofrontale Cortex für Emotionsregulation, der Insel-Cortex für das leib-seelische Wohlbefinden und der Hippocampus für das Gedächtnis.  

Die Aktivierung, das Wachstum und die Dichte von Spiegelneuronen scheinen von regelmäßiger meditativer Praxis zu profitieren (Siegel, 2007). Die Spiegelneuronen ermöglichen dem Gehirn, sich auf Mitmenschen einzustimmen, und haben etwas mit der Empathiefähigkeit und allgemeinen emotionalen Schwingungsfähigkeit zu tun. 

Auch die „Software“ wird durch Meditation positiv beeinflusst. Das Gehirn lernt neue Reaktionsweisen kennen. Es reagiert z.B. nicht mehr mit Stress, Anspannung, Nervosität, Panik, Abwehr oder Aggression auf kritische Situationen, sondern profitiert von einer situationsübergreifenden Gelassenheit, Klarheit und flexiblen, fein abgestimmten Handlungsfähigkeit. Durch Angst, Aggression und Stress bedingte Adrenalin- und Cortisol-gesteuerte Reaktionsmuster werden seltener, durch Intention, Kooperation und Achtsamkeit motivierte neuronale Feuermuster und Aktionspotenziale werden häufiger. Meditation wirkt hemmend auf Adrenalin-Freisetzung und förderlich für die Serotonin- und Dopamin-Synthese bzw. - Ausschüttung. D.h. Meditation fördert einerseits Stressabbau, Entspannung und Wohlbefinden (Serotonin), zum anderen Konzentration, Achtsamkeit, Selbstwirksamkeit und Enthusiasmus (Dopamin). Es gibt aber auch widersprüchliche Ergebnisse zur Wirkung von Meditation auf die Endokrinologie. Ich habe hier lediglich Tendenzen wiedergegeben. Der Forschungsstand ist selbstverständlich nicht abgeschlossen. 

Meditation begünstigt Lern- und Entwicklungsprozesse. Der Mensch wächst über sich selbst hinaus, indem er durch Einsichten und positive Erfahrungen dazulernt. Dieses Prinzip spielt in der Verhaltenstherapie eine große Rolle, denn der Mensch kann aktiv dazu beitragen, positive Erfahrungen mit sich und dem Leben häufiger werden zu lassen. Meditation als ein Zustand, mit sich und dem Leben im Einklang zu sein, spielt dabei eine große Rolle. Ängste und depressive Zustände werden dadurch abgebaut und ihre Auftrittswahrscheinlichkeit seltener. Erfahrungen sind aber nicht immer an sich einfach nur „positiv“ oder „negativ“, sondern können durch kognitive Prozesse der Erkenntnis und Sinngebung eine letztendlich wachstumsförderliche Bedeutung erhalten und entwicklungsförderlich wirken (Piron, 2007).

Tiefe Meditation fördert breitflächige Vernetzungen und Synergie-Effekte im Gehirn. Die interne Kommunikation und das synergetische Zusammenspiel zwischen verschiedenen Hirnarealen verbessern sich. Man nennt das auch „Neuronale Integration“ (Siegel, 2007). Meditation fördert auch die kooperative Zusammenarbeit von „Kopf“, „Herz“ und „Bauch“. Rationalität, Gefühl und Intuition müssen sich schließlich nicht ausschließen. Ihr ergänzendes, komplementäres, sich gegenseitig bereicherndes Potenzial wird gewissermaßen durch Meditation gefördert. Dies zeigen die breitflächigen Gammawellen-Synchronisationen in den verschiedenen Hirnarealen (vgl. Ott, 2010).

All diese Zuordnungen sind noch nicht absolut gesichert und eindeutig. Es handelt sich dabei um Interpretationsversuche. Gerade die EEG-Wellen des Gehirns lassen sich nicht immer eindeutig interpretieren und einem einzigen Tiefenbereich zuordnen. Sie können je nach lokalem Auftreten und Zusammenhang unterschiedliches bedeuten. Besonders Thetawellen werden in der Literatur sehr heterogen diskutiert. In der Meditationsforschung werden sie meist mit mentaler Ruhe, entspannter Konzentration oder gar Versenkung in Zusammenhang gebracht. Außerhalb der Meditationsforschung wurden sie aber auch schon als Indikatoren von Dösigkeit, Tagträume oder Intuition gewertet oder dem REM-Schlaf zugeordnet. Wie auch immer, das diskursive Denken ist in diesem Zustand wohl eher inaktiv.